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243 Millionen Schadenersatz

Pkw-Maut: Wissing lässt Regressforderung gegen Scheuer prüfen

  • Veröffentlicht: 31.07.2023
  • 17:11 Uhr
  • Michael Reimers
Andreas Scheuer, CSU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Bundesverkehrsminister
Andreas Scheuer, CSU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Bundesverkehrsminister© Kay Nietfeld/dpa

Nur Wahlkampfgetöse? Muss Andreas Scheuer (CSU) wegen der geplatzten Pkw-Maut 243 Millionen Euro Schadenersatz an den Bund zahlen? Sein Nachfolger, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), hat jetzt ein externes Gutachten in Auftrag gegeben.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Bundesverkehrsminister Volker Wissing lässt wegen der geplatzten Pkw-Maut ein Gutachten über mögliche Schadenersatzforderungen gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) anfertigen.

  • Die Pkw-Maut war ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung.

  • 243 Millionen Euro muss der Bund allein an die einst vorgesehenen Mautbetreiber zahlen.

Verkehrsminister Volker Wissing lässt prüfen, ob gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) Schadenersatzforderungen wegen der geplatzten Pkw-Maut möglich sind. "Wir können die Akte bei 243 Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf fällige Zahlungen des Bundes an die einst vorgesehenen Mautbetreiber. Eine Forderung an Scheuer werde man sich deshalb sorgfältig anschauen. "Wir lassen ein externes Gutachten erstellen, um Rechtsfragen zu klären. Das ist letztlich keine politische Frage, sondern es ist eine rechtliche Frage. Dazu muss das Maß der Fahrlässigkeit untersucht werden." Es werde etwas dauern, bis das Gutachten fertig sei, so Wissing.

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CSU: "Regressforderung vollkommen abwegig"

Die CSU wertete das Gutachten als durchsichtiges Wahlkampfmanöver. "Eine Regressforderung ist vollkommen abwegig", erklärte Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, am Montag (31. Juli) der dpa in München. Anfang Oktober findet in Bayern die Landtagswahl statt.

SPD-Bundestagsfraktionsvize Detlef Müller hingegen hält es für gut, jetzt neutral und durch ein externes Gutachten zu prüfen, ob Regressforderungen möglich und rechtssicher wären. "Gerade bei diesen hohen Millionenbeträgen sollte uns allen an einer Klärung gelegen sein, wer die rechtliche Verantwortung für den Schaden hat. "

Stefan Gelbhaar, Verkehrspolitiker der Grünen, sprach sich dafür aus, bei einer Viertelmilliarde Euro Schaden selbstverständlich sauber und ernsthaft nachzuprüfen, inwieweit auch eine persönliche Verantwortung und Haftung bestehe. Generell sollte die Verantwortung bei "Rechtsbrüchen" durch politische Beamte wie Minister klarer geregelt werden, forderte Gelbhaar, auch für Fälle jenseits der Pkw-Maut.

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Wissing: Vermögensinteressen der Bundesrepublik wahren

"Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren", erklärte Volker Wissing. "Und wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden. Deswegen gibt es nun dieses Gutachten und diese Prüfung."

"Das Gutachten wird es uns ermöglichen, mit gutem Gewissen zu sagen, aus welchem Grund in diesem konkreten Fall ein Regress möglich oder nicht möglich ist", so Wissing. "Dass ein Schaden entstanden ist, steht außer Frage. Den kann man ja präzise beziffern. Für eine rechtliche Verantwortung und damit einen Regress müssen aber noch weitere Voraussetzungen vorliegen. Diese soll das Gutachten herausarbeiten und dann prüfen, ob sie im konkreten Fall vorliegen."

Natürlich brauche man für eine Regressforderung eine Rechtsgrundlage, so der Verkehrsminister weiter. "Das muss man sich anschauen. Aber ich möchte mich nicht dem Vorwurf aussetzen, das nicht mit aller Sorgfalt getan zu haben. Und deswegen lassen wir das jetzt durch ein externes Gutachten klären. Dann wissen wir alle Details und können dann auch der Öffentlichkeit erklären, warum wir so oder so entscheiden und können uns dann auch auf eine externe Bewertung beziehen. Das ist eine Frage der Sorgfalt."

CSU-Rechtsexperte: Völliger Mumpitz

Andreas Scheuer habe bei der Pkw-Maut als damaliger Bundesverkehrsminister einen Gesetzesbeschluss des Bundestags umzusetzen gehabt, sagte CSU-Politiker Müller. Dies müsse Wissing als Jurist eigentlich wissen. "Das Sommerloch scheint groß zu sein, wenn Volker Wissing zum wiederholten Male mit der gleichen dünnen Ankündigung Schlagzeilen machen will."

Im Interview mit der "Rheinischen Post" (Dienstag) erklärte CSU-Rechtsexperte Michael Frieser: "Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, ein Mitglied des Bundeskabinetts, auch kein ehemaliges, in Haftung zu nehmen. Es ist völliger Mumpitz zu glauben, daraus irgendetwas konstruieren zu können." Wissing versuche davon abzulenken, dass er einem Vergleich zugestimmt habe, für den er weder einen Auftrag noch eine Ermächtigung gehabt habe. Für das Gutachten gebe es außerdem keine Grundlage.

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Worum geht es bei der Pkw-Maut?

Als Folge der geplatzten Pkw-Maut muss der Bund 243 Millionen Euro Schadenersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben. Nachdem die Pkw-Maut 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden war und der Bund kurz nach dem Urteil die Verträge gekündigt hatte, hatte die Betreiberseite zunächst 560 Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Das Ministerium hatte bereits grundsätzlich angekündigt, mögliche Regressforderungen gegen Scheuer zu prüfen zu lassen.

Eine Regressforderung gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schrieb 2019 in einer Analyse, Artikel 34 des Grundgesetzes sehe die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim "handelnden Amtswalter" zu nehmen. Diese Möglichkeit bedürfe eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage. Im Verhältnis zu Bundesbeamten habe der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen. Das für Bundesminister:innen einschlägige Bundesministergesetz sehe eine solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor.

Als die Maut 2019 platzte, war Andreas Scheuer Bundesverkehrsminister. Die Pläne für die Pkw-Maut sagen vor, nur inländische Fahrer:innen für Mautzahlungen voll bei der Kfz-Steuer zu entlasten. Kritisiert wurde außerdem, dass Scheuer die Betreiberverträge bereits Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim Europäischen Gerichtshof bestand. Mit dem Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen hatte sich in der vergangenen Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Die damalige Opposition hatte Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vorgeworfen und vor Millionenkosten gewarnt. Scheuer hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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