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"Halt still, in drei Sekunden ist es vorbei"

Kathryn Morris im Interview

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© getty-AFP

Die Hauptdarstellerin von "Cold Case" spricht über ihr Alter Ego Lilly Rush, über den Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Serienstars und darüber, was eine "gute Frau" ausmacht.

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Frage: Kathryn, "Cold Case" verfolgt im Vergleich zu anderen von Jerry Bruckheimer produzierten Cop-Serien wie "CSI" oder "Without A Trace" ein völlig unterschiedliches Konzept.

Kathryn Morris: Das stimmt, bei "CSI" etwa wird großer Wert auf die technische, die forensische Seite der Verbrechensaufklärung gelegt und das wird dann sehr detailliert erklärt und filmisch mit allerlei Hightech-Tricks umgesetzt. Bei Cold Case" spielt dieser Aspekt dagegen kaum eine Rolle. "Cold Case" vergisst nie, dass es bei allen Verbrechen um Menschen geht. Menschen, die nach Antworten suchen, manchmal seit zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren.

Die Serie nimmt sich Zeit für die Charakterisierung der Angehörigen und durch die Rückblenden auch für die der Opfer selbst, die in anderen Serien häufig nur als Leiche in Erscheinung treten. Mit "CSI" können und wollen wir uns nicht messen, dafür fehlen uns z. B. auch die "naked chicks", wie wir das in Amerika nennen, die Bikini-Girls.

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Womit wir bei ihrer Rolle wären, bei Lilly Rush, die zwar blond, aber alles andere als die typische amerikanische Mega-Blondine ist.

Schönen Dank, ich nehme das als Kompliment. "Cold Case" fällt in der Tat schon deshalb aus dem Muster, weil mit Lilly Rush eine Frau die Hauptperson des sonst doch eher von Männern dominierten Genres ist. Lilly hat eine eher emotionale Art sich den Fällen zu nähern und in ihrem Gesicht spiegeln sich bisweilen doch die Gefühle, die sie als Cop eigentlich nicht zulassen kann. Aber sie steht ihren Mann und erledigt den Job ebenso gut, wie ihre Kollegen.

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Und dabei verzichtet sie völlig auf früher für eine Krimi-Serie typische Zutaten, wie Schießereien, Verfolgungsjagden usw.

Hey, wir sind schließlich nicht "Starsky & Hutch" und auch nicht "Kojak", schließlich habe ich noch alle meine Haare.

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Lilly hat in der Tat eine sehr - nennen wir es - eigenwillige Frisur.

Ja, sie zeigt für solche Dinge nicht allzu viel Interesse, sie steckt die Haare einfach hinten zusammen - und fertig. Es ging der Autorin der Show, Meredith Stiehm darum, den Charakter einer Frau zu kreieren, die es nicht für nötig hält, ihre Weiblichkeit jeden Tag und jedem Mann zu beweisen. Lilly muss sich durchsetzen auf dem wohl härtesten Gebiet der Polizeiarbeit, in der Mordkommission. Sie muss jeden Tag in einem toughen Job ihren Mann stehen und hat schon deshalb weder Zeit noch Lust hat sich großartig aufzudonnern.

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Und trotzdem oder gerade deshalb strahlt sie eine sehr klare, reine Form der Schönheit aus.

Das ist sehr nett von Ihnen. Lilly vergißt ja nicht, dass sie eine Frau ist, aber sie macht bei ihrer Arbeit darum kein Aufhebens. Sie achtet nicht immer auf ihre Frisur und nicht auf ihr Make-up. Und von ihren weiblichen Formen sieht man auch eher wenig, weil sie stets einen Blazer tragen muss, damit man ihre Pistole nicht sieht. Aber wenn sie morgens in den Spiegel blickt, dann denkt sie "Okay, das geht schon so."

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Dennoch gönnen die Autoren Lilly - ungewöhnlich genug für eine US-Krimiserie - schließlich einen zarten Hauch von Privatleben mit einem Staatsanwalt.

Stimmt, zum Ende der ersten Staffel aber hat er mich einfach verlassen, entsorgt wie Restmüll. Können Sie sich das vorstellen, der Mann verläßt mich einfach. Dafür muss er in der zweiten Staffel leiden, das kann ich den deutschen Zuschauern garantieren, der Gute hat einen Riesenfehler gemacht. Wenn ich nur an die Szene denke, als er mich das erste Mal geküsst hat. "Halt still, in drei Sekunden ist es vorbei" waren seine Worte ... wahnsinnig romantisch, oder??!!

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Lilly hat es ihm aber auch nicht leicht gemacht.

Natürlich nicht, wäre ja noch schöner. Wie alle guten Frauen, kann Lilly auch eine ganz schöne Nervensäge sein, wenn sie das für notwendig erachtet (lacht).

Gibt es sonst noch Gemeinsamkeiten?

Ich glaube, dass ich, wie Lilly auch, ein sehr ausgeprägtes Gespür dafür habe, was richtig und was falsch, oder, um es biblischer auszudrücken, was gut und was böse ist. Ich ertrage Unrecht, egal ob es nun mir oder anderen angetan wird, nur sehr schwer.

Im Moment dürfte aber doch alles rund laufen für Sie. Ist "Cold Case" das bisherige Highlight ihrer Karriere?

Ich habe zuvor unmittelbar hintereinander zweimal mit Steven Spielberg drehen dürfen, erst in "A. I." und dann in "Minority Report" und natürlich ist es ein unvergleichliches Erlebnis mit Leuten wie Tom Cruise oder Jude Law zusammenzuarbeiten. Dennoch ist "Cold Case" die Erfüllung eines Traums, vielleicht auch weil niemand damit rechnen konnte, dass gerade diese beinahe stille, wenig spektakuläre Serie ein solcher, auch internationaler Erfolg werden würde. In den USA befinden wir uns ständig in den Top Fifteen, zudem ist "Cold Case" ein Hit rund um den Globus.

In Deutschland gilt ein Seriendarsteller unter künstlerischen Gesichtspunkten nicht allzu viel, denn im TV zu spielen ist gleichbedeutend damit, dass man es im Kino nicht geschafft hat.

Das ist in den USA völlig anders, häufig reißen sich Kino-Schauspieler sogar um Serienrollen, wie etwa Anthony LaPaglia für "Without A Trace" oder Glenn Close für "The Shield".

Oder Martin Sheen für "The West Wing"?

Genau, wir nennen dieses Wechseln von einem Medium ins andere "Crossover" und das funktioniert bei uns absolut ohne Gesichtsverlust, nicht zuletzt weil diese TV-Produktionen ein sehr hohes Niveau haben und sich durchaus mit Kino messen können. Martin Sheen dreht "West Wing" übrigens unmittelbar nebenan zu "Cold Case". Irgendwann tauchte er plötzlich an unserem Set und ich dachte nur "Wow, da ist Martin Sheen!"

Mittlerweile dürfte das anderen weniger bekannten Schauspielern mit Ihnen doch ähnlich gehen?

Ich glaube schon, dass sich mein Status durch "Cold Case" sehr verändert hat und ich heute so etwas wie ein Star für die Leute bin. Man erkennt mich auf der Straße und spricht mich im Restaurant mit "Hi Lilly" an. Ich bin wohl so etwas wie eine Freundin. Die Freundin, die einmal die Woche, am Sonntag abend, zu Besuch kommt. Und das ist wohl ein Gefühl, dass einem nur eine Serien-Rolle geben kann.

Das Interview führte Andreas Kötter

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Cold Case

Preview: Schwestern

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  • Ab 12