Pilotanlage in Nordsee
Chance in der Energiegewinnung? Stromerzeugung durch schwimmende PV-Anlagen auf dem Meer
- Veröffentlicht: 13.01.2025
- 15:50 Uhr
- Clarissa Yigit
Die Kosten der Stromproduktion könnten mit Photovoltaikanlagen auf dem Meer zukünftig womöglich deutlich günstiger werden.
Die Stromgewinnung mittels Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) nimmt in Deutschland stetig zu. Nicht nur auf Balkonen und Dächern sind diese Anlagen zu finden – auch auf großen Freiflächen werden immer Solarmodule installiert.
Allerdings wird hierzu auch viel Platz benötigt. Daher wird auch immer mehr darüber diskutiert, inwieweit der Einsatz von schwimmenden PV-Anlagen, englisch Floating-PV, auf der Nordsee möglich ist.
Floating-PVs
Als schwimmende Floating-PVs werden auf Wasserflächen betriebene Photovoltaikanlagen bezeichnet. Diese sind entweder am Grund des Gewässers, am Ufer oder an angrenzenden Strukturen verankert, erklärt das Bundesamt für Naturschutz (BfN).
Bis Juni 2023 gab es etwas mehr als zehn solcher Anlagen - vor allem auf Baggerseen.
Technische Anforderungen an Floating-PVs
Noch ist nicht geklärt, aus welchem Material die schwimmenden PV-Anlagen bestehen dürfen. Demnach könne Metall korrodieren und bei Anlagen aus Kunststoff könnte Mikroplastik ins Meer gelangen.
Auch müsse noch erforscht werden, wie die Floating-PVs den kontinuierlichen Bewegungen durch Wellen und Wind standhalten werden.
Ebenso spielt das Thema Wartung und mögliche Fehlersuche an den Anlagen auf See eine Rolle, da dies dort viel komplexer ist. Möglich wäre ein Monitoring über Sensorik oder Drohnen.
Projekt "Merganser"
Allerdings gibt es bereits auch erste Ansätze, diese schwimmenden Photovoltaik-Anlagen auf der Nordsee einzusetzen, schreibt der "Stern". Unter Beteiligung von RWE und dem Solarenergie-Unternehmen SolarDuck wurde bereits solch eine Pilotanlage im Juli 2024 vor der Küste Scheveningens (Niederlande) installiert.
Das Offshore-Solarprojekt läuft unter dem Namen "Merganser". Bei dem Vorhaben sind sechs Plattformen miteinander verbunden und so entworfen, dass sie extremen Bedingungen auf hoher See (beispielsweise hohem Seegang, starkem Wind und aggressivem Salzwasser) standhalten, so RWE. Die Testanlage schwimmt zwölf Kilometer vor der Küste und hat eine installierte Leistung von 0,5 Megawatt peak (MWp). Verbunden wurden die schwimmenden Plattformen in einer Wassertiefe von 20 Metern mit einem Verankerungssystem.
Die Offshore-Floating-Solarstruktur sei so konzipiert, dass sie mehrere Meter über der Wasseroberfläche schwebt. Da sie sich dem Wellengang anpasse, blieben auf diese Weise auch kritische elektrische Bauteile trocken, sauber und stabil, was wiederum dafür sorgt, dass das System sicher läuft und der Wartungsaufwand gering bleibt.
Zudem wird zwei Jahre lang das Projekt aus der Ferne mit mehr als 180 Sensoren überwacht. Dabei werden neben Leistungskriterien auch die strukturelle Belastung, die Belastung der Verankerung sowie die elektrische Leistung gemessen. Auch wird untersucht, welche ökologischen Auswirkungen die Plattform haben könnte.
Für deutsche Küstengewässer gebe es allerdings bislang noch keine geplanten Vorhaben.
Vorteile schwimmender PV-Anlagen
Einen möglichen Vorteil in diesen Anlagen - neben der Flächenverfügbarkeit - sehen Expert:innen in Synergien durch Netzanbindungen von Offshore-Windparks.
Hinzu kommt, dass sich solche Anlagen möglicherweise mit Windkraft und Solarenergie auf dem Meer kombinieren lassen. Auf diese Weise könnten bereits vorhandene Stromnetzanbindungen der Windparks effizienter genutzt werden, erklärt Bengt Jäckel vom Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik in Halle.
"In der Tagesmitte weht meistens weniger Wind, dafür scheint eher die Sonne." Abends und morgens setze der Wind ein. Durch eine Kombination sei so die Netzauslastung der Stromleitungen Richtung Land deutlich größer, erklärt der Wissenschaftler, dessen Forschung sich auf PV-Module erstreckt.
Demnach könnten die Kosten bei der Stromerzeugung durch eine höhere Auslastung sinken. Allerdings brauche es dann auch verschiedene Speichermöglichkeiten, um eine bestmögliche Kombination der Energieträger zu erzielen.
Auswirkungen auf die Umwelt
Welche Auswirkungen diese schwimmenden Anlagen auf die Umwelt haben könnten, ist auch noch nicht erforscht. "Nach unserem Kenntnisstand fehlen bislang konkrete Untersuchungen von Auswirkungen von PV-Anlagen auf Meeresorganismen und es besteht insbesondere für den marinen Bereich ein beträchtlicher Forschungsbedarf", so das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).
Insbesondere die Größe einer solchen PV-Anlage spielt hierbei offenbar eine besondere Rolle. Zum einen kommt es zu Verschattung durch die Anlage, es kommt weniger Licht im Wasser an.
Auch könnte es laut BSH unter anderem zu einem "verringerten Austausch zwischen Wasser und Atmosphäre, Reflexionen, Schadstoffemissionen durch Korrosionsprozesse und Anziehungsprozesse für Fische und Meeressäuger" kommen.
Wo dürfen Floating-PV installiert werden?
Allerdings ist noch nicht ganz klar, wo vor der deutschen Nordseeküste solche schwimmenden PVs installiert werden dürfen. Möglich wäre eventuell der Einsatz in dem sonstigen Energiegewinnungsbereich SN-1 - einer rund 100 Quadratkilometer großen Meeresfläche in der Nordsee.
Auch die sogenannte ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) sei nicht ganz auszuschließen. Allerdings gibt es in diesem Meeresgebiet viele verschiedene Interessen, so NTV.
Nicht infrage für solche Anlagen hingegen käme vermutlich der unmittelbare Küstenbereich, da sich dort das schützenswerte UNESCO-Weltkulturerbe Wattenmeer befindet. Demnach werde es innerhalb des Nationalparks Wattenmeer wohl auch keine Erlaubnis (aus rechtlichen und fachlichen Gründen) für die Installation solcher Anlagen geben. Dies stellte kürzlich das Umweltministerium in Hannover in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage klar.
Auch kämen nach einer vorläufigen Einschätzung Schutzgebiete, Vorranggebiete für die Schifffahrt und militärische Übungsgebiete nicht infrage, so das BSH.
- Verwendete Quellen:
- Stern: "Experten sehen Forschungsbedarf für PV-Anlagen auf dem Meer"
- BfN: "Häufig gefragt: Auswirkungen von schwimmenden PV-Anlagen auf Natur und Landschaft"
- RWE: "Merganser"
- RWE: "Pilotprojekt Merganser: SolarDuck und RWE installieren schwimmende Solaranlage vor der niederländischen Küste"