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Die Macht der Propaganda

Kriegsmentalität in Russland: Putin zieht nächste Generation von Soldaten heran

  • Veröffentlicht: 27.12.2024
  • 18:38 Uhr
  • Oliwia Kowalak
Wladimir Putin definiert Krieg und Moral neu.  (Archivbild)
Wladimir Putin definiert Krieg und Moral neu.  (Archivbild)© Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Präsident Russlands Wladimir Putin vermittelt in Lehrprogrammen an Schulen militärisches Geschick und eine patriotische Haltung zum Krieg. Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche beteiligt sich am Wandel im Verständnis der russischen Bevölkerung.

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Das Wichtigste in Kürze

  • In Russland erreicht die Kriegspropaganda Putins nun einen neuen Höhepunkt – jetzt werden laut Berichten auch Grundschulkinder kriegstüchtig gemacht.

  • Experten sehen die Entwicklungen zum Militärunterricht an russischen Schulen als kritisch an.

  • Die Russisch-Orthodoxe Kirche beteiligt sich zunehmend an der Kriegspropaganda – und nutzt den Glauben der Menschen für politische Zwecke.

In Russland soll sich durch den Ukraine-Krieg ein Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung abzeichnen. Das Instrument der Kriegspropaganda ist altbewährtes Mittel, durch das Perspektiven auf Militär und Kriegshandlungen verschoben werden. Die Kampagnen von Kreml-Boss Wladimir Putin erreichen die Nachkömmlinge der russischen Föderation in Schulen. Lehrpläne wurden umfangreich auf Kriegsmentalität umgestellt – und auch die Russisch-Orthodoxe Kirche hilft beim moralischen Empfinden zur "militärischen Spezialoperation“ nach.

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"Drittklässlern wird in den Schulen beigebracht, keine Angst davor zu haben, auf dem Schlachtfeld für das russische Vaterland zu sterben", teilte Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Klaus Gestwa "IPPEN.MEDIA" mit.

Im Zuge des Ukrane-Krieges ist der Lehrplan an russische Schulen an die Kriegstüchtigkeit angepasst worden. Jugendliche werden seit September 2023 im Umgang mit Drohnen geschult. Nach Veröffentlichungen des russischen Bildungsministeriums bieten Schulen die Kurse zur Steuerung von militärischen Drohnen für Schüler im Alter zwischen 15 und 17 Jahren an. Im Militärunterricht wird auch der Umgang mit Kalaschnikow-Gewehren und Handgranaten oder das Aufsetzen von Gasmasken vermittelt. Gelehrt werden Kinder von Soldaten, die an der Front gekämpft haben.

"In höheren Klassen wird den Schülerinnen und Schülern nicht nur die russische Geschichte als eine Abfolge großer Kriegstriumphe und Eroberungen vermittelt, sondern sie werden auch im Umgang mit Maschinengewehren und Kampfdrohnen sowie für weitere militärische Aufgaben gedrillt", ergänzte Historiker Gestwa.

Umfang des Militärunterrichts an russischen Schulen verdoppelt

Experten zeigen sich über die Situation in Russland im Kontext der Glorifizierung des Krieges in der Ukraine besorgt. So soll sich in diesem Jahr das Ausmaß des Propaganda-Unterrichts an russischen Schulen weiter verstärkt haben. Laut Angaben des Portals "Agentstwo", werde sich der Unterricht im laufenden Schuljahr auf etwa 1.300 Stunden verdoppeln. Dem britischen Verteidigungsministerium zufolge wolle Putin damit eine stärker militarisierte und sicherheitsorientierte Gesellschaft schaffen. Mittels der Jugendstrategie solle das Ansehen des Militärdienstes erhöht, Patriotismus vermittelt und Jugendliche auf den Militärdienst vorbereitet werden.

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Donald Trump, Wladimir Putin, Olaf Scholz

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Mit den neuen Lehrplänen ist nach Ansicht von Beobachtern die militärische Ausbildung der UdSSR bis 1990 in die Schulen zurückgekehrt. Jedoch sei die Vermittlung der Kriegstüchtigkeit noch moralloser als zur Breschnew-Ära – denn dort herrschte ein öffentlicher Konsens gegen den Krieg. Menschen seien jetzt gezwungen, im Sinne des Orwellschen Doppeldenk Schwarz als Weiß zu bezeichnen, erklärte der russische Pädagoge Dima Sizer gegenüber dem "MDR".

Im September 2024 ist laut Angaben des russischen Bildungsministeriums das Fach "Familienkunde" eingeführt worden, welches die "Treue zu den traditionellen russischen spirituellen Werten" fördern solle. Der Widerstand an den russischen Schulen zeigt sich in der Austrittsquote des Lehrpersonals. So erreichte die Anzahl der Kündigungen im vergangenen Jahr ein Rekordhoch – es sollen infolge der Lehrplanerneuerungen 193.000 Lehrer (fast 14 Prozent) die Schulen verlassen haben.

Der im Exil lebende Pädagoge Sizer sieht für den Lehrerexodus das Denunziationssystem verantwortlich. Denunziation sei in allen totalitären Regimen üblich gewesen. Statt in einem ständigen Zwiespalt zu leben, identifizierten sich Menschen mit dem Staat oder gingen in die innere Emigration.

Russisch-Orthodoxe Kirche: Soldatentod als Erlösung von den Sünden

"Es ist nur schwer möglich, sich der Omnipräsenz von Krieg und Sieg zu entziehen. Alle und alles wird auf Krieg gebürstet", so Geschichtswissenschaftler Gestwa. So sei etwa die "blutrünstige Phrase, dass erst der Krieg den Mann zum Mann mache, erschreckenderweise längst Teil der russischen Alltagsrede geworden".

Auch die Kirche beteiligt sich am Propagandaapparat und verschiebt mehr und mehr die Wertesysteme von Gläubigen. Patriarch Kyrill, Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, "predigt ungeniert den an die Front geschickten Soldaten, dass ihnen Gott im Falle ihres Schlachtentods für die große russische Heimat alle Sünden erlässt“, erläuterte der Russland-Experte gegenüber "IPPEN.MEDIA".

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"Es findet ein Kampf des Guten mit dem kosmischen Bösen statt", wie Kirill in einem Buch bereits 2022 schrieb. Darin wird die "metaphysische Natur der militärischen Spezialoperation beschrieben. In einer 2024 unter Kyrill verabschiedeten Resolution formulierte der Geistliche die metaphysische Komponente des Ukraine-Krieges dann konkreter: "Das gesamte Gebiet der heutigen Ukraine muss zur alleinigen Einflusszone Russlands gehören." Die Grenzen der "Russische Welt" erstrecken sich nicht nur jenseits der Russischen Föderation, sondern auch jenseits "des großen historischen Russland", wie "Lenta.ru"berichtet.

"Dass der Soldatentod als ehrenhaftes Schicksal gefeiert wird, lässt einige ihre Bedenken und Zweifel vergessen, obwohl sie wissen, dass die russische Armee von einer Gewaltkultur und ausuferndem Kasernenterror geprägt ist“, kommentierte der Historiker Gestwa.

Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine haben laut Zahlen des Internetportals "The Bell" 650.000 Menschen dauerhaft das Land verlassen. Moskau gibt keine öffentlichen Daten zu den Auswanderungen bekannt. Nach westlichen Schätzungen sind bereits 700.000 russische Soldaten gefallen oder verwundet.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
  • mdr.de: "Russland: Warum Frontkämpfer Kinder unterrichten"
  • en.thebell.io: "Russia’s 650,000 wartime emigres"
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