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Konsequenzen nach Wahlniederlage

Rücktritt der Grünen-Spitze - So reagieren die anderen Parteien

  • Veröffentlicht: 25.09.2024
  • 15:22 Uhr
  • dpa
Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sprechen bei einer Pressekonferenz in der Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen. Die Grünen-Spitze zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wahlen personelle Konsequenzen.
Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sprechen bei einer Pressekonferenz in der Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen. Die Grünen-Spitze zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wahlen personelle Konsequenzen.© Fabian Sommer/dpa

Die Grünen stecken in der Krise. Der Parteivorstand zieht nun Konsequenzen und tritt vollständig zurück. Respekt aber auch weitere Forderungen kommen aus den eigenen Reihen und von den anderen Parteien.

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Inhalt

Die Grünen haben ein Jahr vor der Bundestagswahl die Reißleine gezogen. Als Konsequenz aus den jüngsten Misserfolgen der Partei bei Wahlen und schlechten Umfragewerten kündigten die Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour den Rücktritt des gesamten Parteivorstandes im November an. "Es braucht einen Neustart", sagte Nouripour in Berlin.

Im Video: Paukenschlag bei den Grünen! Der gesamte Vorstand tritt geschlossen zurück

Auf dem Bundesparteitag Mitte November soll nun ein neuer Vorstand gewählt werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den angekündigten Rücktritt einen "großen Dienst an der Partei".

Die Grünen hatten bei den vier zurückliegenden Wahlen – der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburgdrastische Verluste erlitten. Aus zwei Landtagen flogen sie hinaus. Allein in Sachsen gelang ihnen knapp der Wiedereinzug ins Landesparlament. "Das Wahlergebnis am Sonntag in Brandenburg ist ein Zeugnis der tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade", sagte Nouripour.

"Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen", sagte Lang. "Jetzt ist nicht die Zeit, am eigenen Stuhl zu kleben. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen", fügte sie hinzu.

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Verständnis und Lob für die Entscheidung

Habeck dankte dem scheidenden Führungsduo. "Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht", sagte er. Lang und Nouripour machten den Weg frei für einen "kraftvollen Neuanfang". Habeck sagte weiter: "Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind." Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst.

Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht.

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält den Rücktritt der beiden Grünen-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour für den richtigen Schritt. "Beide haben die Partei in nicht einfachen Zeiten mit hoher Loyalität zur Bundesregierung geführt. Das verdient großen Respekt", teilte Kretschmann mit.

Dank von Seiten der SPD

Die SPD-Spitze dankte Lang und Nouripour für die enge Zusammenarbeit der vergangenen Jahre. "Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt", erklärten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war."

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FDP: Gespannt auf künftigen Kurs der Grünen

FDP-Chef Christian Lindner hat den beiden Grünen-Vorsitzenden für deren Rücktrittsankündigung Respekt gezollt. "Die Zusammenarbeit war menschlich immer fair", schrieb er auf X. Zugleich betonte Lindner: "Wir sind gespannt, ob unter neuer Führung ein neuer Kurs entsteht und welche Auswirkungen er auf die Regierung hat." Die Ampel müsse in der Sache arbeiten, hier gebe es in Deutschland gerade keine Zeit zu verlieren.

Union fordert Rücktritt von Baerbock und Habeck

"Wenn die Parteivorsitzende Ricarda Lang von der Notwendigkeit eines Neuanfangs und von neuen Gesichtern spricht, können ja wohl kaum diejenigen Vertreter im Amt bleiben, die zum Symbol der verkorksten Wirtschafts- und Migrationspolitik wurden - Baerbock und Habeck", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der "Rheinischen Post".

Deswegen richteten sich laut Frei die drängenden Fragen auch an die führenden Bundesminister der Grünen. Was man sehe, sei die "Initialzündung einer Kettenreaktion." Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich mit einer Forderung zu Wort gemeldet. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte er, das Land verkrafte nicht ein weiteres Jahr mit der Ampel-Koalition. "Ich bleibe dabei: An Neuwahlen führt kein Weg vorbei."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: "Das Problem sind nicht die Grünen an der Parteispitze, das Problem sind die Grünen in der Bundesregierung. Die Ampel implodiert." Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), forderte in der "Rheinischen Post" auch den Rücktritt von Habeck und Baerbock.

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Mögliche Kandidaten für Parteivorsitz

Wer für den Parteivorsitz kandidieren wird, ist noch offen, auch wenn hinter den Kulissen schon die Namen genannt werden. Einer davon ist Franziska Brantner. Sie ist parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, eine enge Vertraute Habecks, die dem Realo-Flügel angehört. Für die 45-Jährige spricht nach Ansicht von Parteimitgliedern, dass sie klar kommunizieren kann und aktiv verschiedene Social-Media-Plattformen bespielt. Schon vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass Brantner Habecks Wahlkampfmanagerin werden soll.

Auch der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (34) gilt als aussichtsreicher Bewerber. In seiner damaligen Rolle als Landesvorsitzender hat er die nordrhein-westfälischen Grünen 2022 zu ihrem bislang besten Ergebnis (18,2 Prozent) in NRW und in die Landesregierung geführt.

Der "Tagesspiegel" schrieb, auch der frühere hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir solle seinen Hut in den Ring geworfen haben. Nach "Spiegel"-Informationen ist auch der Berliner Grünen-Abgeordnete und Vize-Fraktionschef Andreas Audretsch im Gespräch.

Mögliche Nachfolger:innen für Ricarda Lang und Omid Nouripour

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Die Grüne Staatssekretärin Franziska Brantner mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Die Grüne Staatssekretärin Franziska Brantner mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Felix Banaszak von den Grünen im Bundestag.
© IMAGO/Political-Moments

Felix Banaszak von den Grünen im Bundestag.

Tarek Al-Wazir - ehemaliger hessischer Wirtschaftsminister der Grünen.
© IMAGO/Future Image

Tarek Al-Wazir - ehemaliger hessischer Wirtschaftsminister der Grünen.

Grünen Politiker Andreas Audretsch.
© IMAGO/photothek.de

Grünen Politiker Andreas Audretsch.

Ampel im "Herbst der Entscheidungen"

Schon am Montag (23. September) hatte Nouripour relativ resigniert geklungen. Er sprach von einer bitteren Niederlage in Brandenburg und zeigte sich zugleich konsterniert über den Zustand der Ampel-Koalition. In der Ampel aus SPD, FDP und Grünen gibt es wiederholt öffentlich ausgetragene Streitigkeiten über verschiedene Themen. Nouripour hatte die Ampel bereits als "Übergangslösung" bezeichnet.

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Nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der angekündigte Rücktritt der Grünen-Spitze keine Auswirkungen auf die Ampel-Koalition. Scholz habe mit Lang und Nouripour "eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet" und bedauere ihren Rückzug, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die SPD-Spitze dankte den Grünen-Vorsitzenden für die enge Zusammenarbeit.

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