Ukraine-Krieg
Russland verkündet Einnahme von Bachmut - Putin gratuliert
- Aktualisiert: 21.05.2023
- 10:17 Uhr
- Max Strumberger
Die russische Armee hat nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums nach monatelangen erbitterten Kämpfen offenbar die volle Kontrolle über die ostukrainische Stadt Bachmut erlangt. Kreml-Chef Putin gratuliert und plant Belohnungen für die Soldaten.
Das Wichtigste in Kürze
Im Kampf um Bachmut ist offenbar die Entscheidung gefallen.
Russland hat eigenen Angaben zufolge die umkämpfte Stadt vollständig eingenommen.
Der Blutzoll dafür war sehr hoch.
Russland hat die monatelange Schlacht um Bachmut für entschieden erklärt und die vollständige Einnahme der Stadt im Osten der Ukraine verkündet. Die Privatarmee Wagner habe die Stadt mithilfe der Artillerie- und Luftunterstützung der russischen Streitkräfte komplett erobert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht zu Sonntag mit. Zuvor hatte bereits der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, die Einnahme der seit Monaten äußerst hart umkämpften und inzwischen fast völlig zerstörten Stadt verkündet. Von ukrainischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung.
Kremlchef Wladimir Putin sprach den Wagner-Truppen und der russischen Armee Glückwünsche aus. Die russischen Streitkräfte hätten Wagner den nötigen Schutz an den Flanken garantiert, sagte Putin nach Angaben seines Pressedienstes. "Alle herausragenden Kämpfer werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt."
Kiew widerspricht Behauptungen aus Moskau
Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und verlustreichste des russischen Angriffskriegs, der vor 15 Monaten mit dem Einmarsch ins Nachbarland begann. Damals hatte die Stadt noch 70.000 Einwohner, inzwischen liegt sie weitgehend in Trümmern. Die Ukraine gab Bachmut trotzdem nicht verloren, um einen Durchbruch der russischen Truppen weiter ins Landesinnere zu verhindern. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte befohlen, die symbolträchtige Stadt nicht aufzugeben.
Der Sprecher der ukrainischen Armeegruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, dementierte im Radio in Kiew, dass Bachmut erobert sei. Vielmehr seien Prigoschins Truppen am Ende und wollten aufgeben: Sie müssten befürchten, eingekesselt zu werden von den ukrainischen Verteidigern, sagte Tscherewatyj.
Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit Sitz in Washington teilte mit, es handele sich allenfalls um einen symbolischen Erfolg Prigoschins, wenn seine Darstellung denn stimme. Strategisch habe Bachmut keinen Nutzen, die ukrainischen Truppen setzten zudem die nördlichen und südlichen Flanken der Stadt unter Druck.
Slowjansk und Kramatorsk nächste Ziele für Russland?
Bachmut ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen den Städten Siwersk und Bachmut im Donezker Gebiet. Sollte die Stadt tatsächlich an die Besatzer gefallen sein, würde sich für die russischen Truppen der Weg zu den Großstädten Slowjansk und Kramatorsk eröffnen. Damit würde eine von Russland geplante vollständige Eroberung des Donezker Gebiets näherrücken.
Prigoschin hatte am Samstag in Uniform und mit der russischen Flagge in der Hand die Eroberung von Bachmut verkündet. Zugleich kritisierte er einmal mehr die russische Militärführung: "Wir haben nicht nur mit den Streitkräften der Ukraine gekämpft, sondern auch mit der russischen Bürokratie, die uns Knüppel zwischen die Beine geworfen hat", sagte Prigoschin in einem Video. Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow hätten den "Krieg zu ihrem persönlichen Vergnügen" gemacht. Ihre Launen und die Militärbürokratie hätten dazu geführt, "dass fünf Mal so viele Soldaten gestorben sind wie hätten sterben müssen".
Prigoschin dankt Putin
Bei Präsident Putin bedankte er sich hingegen dafür, dass dieser den Wagner-Kämpfern Gelegenheit gegeben habe, für Russland zu kämpfen. Das sei eine "große Ehre" gewesen, betonte ç, der als enger Vertrauter Putins gilt. Die Wagner-Truppe habe der "zerzausten russischen Armee geholfen, wieder zu sich zu finden". Er wolle Bachmut nun den regulären Truppen überlassen. Nach Darstellung Prigoschins kämpften die Wagner-Truppen seit dem 8. Oktober um die Kontrolle über Bachmut - nun stehe eine Erholungsphase an. Seine Männer seien aber bereit, weiter für Russland zu kämpfen.
Mit Blick auf den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsnationen in Japan sagte Prigoschin, Kiews Truppen hätten "tapfer und gut" gekämpft. Selenskyj solle US-Präsident Joe Biden Grüße ausrichten von der Wagner-Armee, der besten der Welt. In Richtung Moskau adressierte er die Forderung, jene zur Verantwortung zu ziehen, die die Schlacht um Bachmut durch das Zurückhalten von Munition, Material und Kämpfern in die Länge gezogen hätten.
Ukraine: "Lage ist kritisch"
Zur Verstärkung für die Schlacht hatte Prigoschin auch verurteilte Straftäter in russischen Gefängnissen angeworben. Er sagte, dass 23 Mal mehr Personal und 27 Mal mehr Munition nötig gewesen wären, um die Stadt schneller einzunehmen. Prigoschin erinnerte auch an die vielen Gefallenen, ohne Zahlen zu nennen. Wegen der auf beiden Seiten hohen Verluste hatte der Söldnerchef die Schlacht um Bachmut als "Fleischwolf" bezeichnet.
Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar widersprach Prigoschins Worten am Samstagnachmittag mit den Worten, die "schweren Kämpfe" in Bachmut dauerten an. Zugleich räumte sie ein: "Die Lage ist kritisch." Die ukrainischen Streitkräfte verteidigten aber ihre Stellungen und kontrollierten noch einzelne Industrie- und Infrastrukturobjekte. Auf die Sieges-Verkündung der russischen Regierung reagierte sie zunächst nicht.
Maljar hatte zuvor gesagt, das russische Militär habe Tausende Soldaten zur Verstärkung nach Bachmut verlegt und greife weiter "unter hohen Verlusten an, die unsere Verluste unverhältnismäßig übersteigen". Auch das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von schweren Verlusten des Gegners. Die Angaben beider Seiten zum Kampfgeschehen ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa