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Stichwahlen

Schicksalswahl in Frankreich: Wie wird die neue Nationalversammlung aussehen?

  • Aktualisiert: 07.07.2024
  • 09:02 Uhr
  • dpa

Wird es ein Erdrutschsieg für den Rassemblement National oder eine Möglichkeit für Macrons Renaissance, die neuen Mehrheitsverhältnisse im französischen Parlament zu nutzen? Die französische Parlamentsneuwahl ist in vollem Gange.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Sonntag (7. Juli) wählt Frankreich ein neues Parlament.

  • Nach den desaströsen Ergebnissen von Präsident Emmanuel Macrons Mitte-Bündnis rief der französische Staatschef Neuwahlen aus.

  • In Prognosen liegt der rechte Rassemblement National vorn.

Die mit Spannung erwartete Parlamentsneuwahl in Frankreich ist in die entscheidende Runde gestartet. Die Wahllokale öffneten am Sonntag (7. Juli) um 8 Uhr. Die Französ:innen stimmen über die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung ab. Vor allem aber dreht sich alles um die Frage: Hat Präsident Emmanuel Macron mit der überraschenden Neuwahl den Rechten den Weg zur Macht geebnet?

Rechter Rassemblement National könnte absolute Mehrheit verpassen

Letzte Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für den in Führung liegenden Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Demnach könnten die Rechtsnationalen und ihre Verbündeten auf 205 bis 240 Sitze kommen. Damit würden sie erstmals die stärkste Kraft in der Nationalversammlung werden, die absolute Mehrheit von 289 Sitzen aber deutlich verfehlen. 

Auf Rang zwei liegt den Umfragen zufolge das für die vorgezogene Parlamentswahl gebildete neue Linksbündnis aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron muss mit einer demütigenden Niederlage rechnen, es kommt in den Umfragen auf Rang drei, wie die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag (7. Juli) meldet.

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Macron unter Druck: Bekommt Frankreich rechten RN-Premierminister? 

In den spätesten Prognosen zeichnet sich bislang keine regierungsfähige Mehrheit ab. Erwartet wird unabhängig vom Wahlausgang, dass die bestehende Regierung von Premierminister Gabriel Attal noch einige Tage geschäftsführend im Amt bleibt, bis über die Bildung einer künftigen Regierung Klarheit herrscht. Das könnte allerdings dauern – die Situation in der französischen Nationalversammlung ist so verfahren wie lange nicht. 

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Sollte das RN eine absolute Mehrheit erringen, stünde Macron unter dem politischen Zwang, erstmals einen Premierminister aus den Reihen der Rechtsnationalen – etwa RN-Chef Jordan Bardella – zu ernennen. Das wäre ein Einschnitt in der Geschichte des Landes und hätte auch auf die europäische Politik große Auswirkungen. Damit gäbe es in Frankreich erstmals seit 1997 wieder eine sogenannte Kohabitation. Das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten. 

Konservative könnten in Frankreich Königsmacher sein

Bei einer starken relativen Mehrheit für den RN wird damit gerechnet, dass dieser versucht, weitere Abgeordnete der bürgerlich-konservativen Républicains (LR) auf seine Seite zu ziehen, um Entscheidungsmacht im Parlament zu erlangen. 

Die ehemalige Volkspartei hatte sich im Anlauf zur Wahl gespalten. Ihr Vorsitzender Éric Ciotti hatte unabgestimmt mit seiner Partei eine Kooperation mit dem RN vereinbart, nur eine kleinere Zahl von Abgeordneten folgte ihm aber. Die Frage ist nun, wie die übrigen Abgeordneten sich verhalten, die in der ersten Wahlrunde rund zehn Prozent der Wähler:innenstimmen auf sich vereinten.

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Macrons Partei könnte Wahldebakel bevorstehen

Offen ist im Moment, wie es in Frankreich weitergeht, wenn der Schulterschluss gegen den RN tatsächlich funktioniert. Da die Abgeordnetenplätze nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden, haben sich in mehr als 200 Wahlkreisen die in der ersten Runde jeweils drittplatzierten Kandidat:innen der übrigen Parteien zurückgezogen. Damit sollen die Chance steigen, dass der oder die verbliebene Kandidat:in einer bürgerlichen Partei die Bewerber:innen der Rechtsnationalen schlägt. Ein solcher Schutzwall gegen die extreme Rechte wird in Frankreich nicht zum ersten Mal praktiziert. Ob er zu einer tragfähigen Regierung führen wird, ist offen.

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Die übrigen Lager - einschließlich der wiedererstarkten Sozialisten - haben bereits klargemacht, dass sie nicht in einer Art nationalen Koalition miteinander regieren wollen. Das könnte dazu führen, dass die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleibt oder eine Expert:innenregierung eingesetzt wird.

Das Macron-Bündnis könnte nach dem Machtpoker des Präsidenten einer vorgezogenen Parlamentswahl vor einem Scherbenhaufen stehen und im Parlament nur noch in stark reduzierter Zahl vertreten sein. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen. Frankreich droht damit politischer Stillstand.

Rechtsnationale liegen in erster Wahlrunde vorn

Der französische Präsident hatte nach dem Sieg von Le Pens Rassemblement National bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl angekündigt. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.

In der ersten Wahlrunde lagen wie bei der Europawahl erneut die Rechtsnationalen vorn, gefolgt vom neuen Linksbündnis sowie Macrons Mitte-Lager auf Rang drei. 76 der 577 Abgeordnetenplätze wurden bereits vergeben, die meisten für den RN (39) oder das Linksbündnis (32) - in den übrigen Wahlkreisen fällt die Entscheidung erst in der Stichwahl.

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  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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