Kämpfe dauern an
Ukraine-Krieg: Kiew dementiert Verlust Soledars
- Veröffentlicht: 11.01.2023
- 23:49 Uhr
- Benedikt Rammer
Die russische Söldnertruppe Wagner verkündete die Eroberung der ostukrainischen Kleinstadt Soledar. Aus Kiew gibt es ein Dementi. Unterdessen läuft im Westen weiter eine Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern.
Das Wichtigste in Kürze
Am Dienstagabend verkündete die russische Söldnertruppe Wagner die Einahme der Stadt Soledar.
Laut Kiew sei dem aber nicht so.
Unterdessen gehen die Überlegungen im Westen weiter, ob und wie Kampfpanzer geliefert werden sollen.
Während der Westen über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine debattiert, spitzt sich die Lage an der Front rund um die umkämpfte Kleinstadt Soledar im Osten des Landes weiter zu. Kiew widersprach am Mittwoch (11. Januar 2023) russischen Angaben, wonach der strategisch wichtige Ort im Osten des Landes an die feindlichen Truppen gefallen sei. "Die Russen sagen, dass Soledar unter ihrer Kontrolle sei. Das stimmt nicht", teilte der Sprecher der Ostgruppe der ukrainischen Armee, Serhij Tscherewatyj, laut Medienberichten mit. Um die gesamte Region Donezk unter seine Kontrolle zu bringen, versuche das russische Militär, sowohl Bachmut anzugreifen als auch die Versorgungswege in das benachbarte Soledar zu unterbrechen, teilte die ukrainische Militärführung in Kiew mit. "Die Kämpfe dauern an."
Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte zuvor der Nachrichtenagentur Interfax von einer "positiven Dynamik beim Vorankommen" gesprochen. Eine offizielle Bestätigung der Einnahme von Soledar war das nicht. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit: "Luftlandeeinheiten haben Soledar von den nördlichen und südlichen Stadtteilen her blockiert." Zugleich wurde eingeräumt, dass die Kampfhandlungen in der Stadt weiter andauerten. Am Dienstag hatte der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, behauptet, dass die Kleinstadt im Gebiet Donezk fast erobert und etwa 500 ukrainische Soldaten eingeschlossen seien.
Putin bezeichnet Lage als "schwierig"
Die Ukraine verteidigt sich seit Ende Februar 2022 gegen den russischen Angriffskrieg. Zuletzt erzielten Moskaus Truppen bei Soledar und dem benachbarten Bachmut Berichten zufolge Geländegewinne. Beide Städte sind von strategischer Bedeutung, weil sie Teil des ukrainischen Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk sind.
Im Zuge des Angriffskriegs ließ Russlands Präsident Wladimir Putin im September Donezk und Luhansk im Osten sowie Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine annektieren. Der Kremlchef bezeichnete die Lage in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten am Mittwoch als "schwierig" und sagte: "In einigen Gebieten dauern Kampfhandlungen an." Bei einem Gespräch mit Regierungsvertretern ergänzte er: "Aber all das ist kein Grund, um eine Pause zu machen und die dringlichsten Fragen aufzuschieben."
Unterdessen gingen in westlichen Hauptstädten die Debatten weiter, ob und in welchem Maß moderne Kampfpanzer in die Ukraine geliefert werden sollen. Ein Regierungssprecher in Berlin unterstrich, dass es nach wie vor weder konkrete Anfragen zu einer Genehmigung von Leopard-2-Lieferungen noch Bitten der Verbündeten gebe, dass Deutschland selbst Kampfpanzer in die Ukraine sende. London deutete indes eine eigene Initiative zur Lieferung von Kampfpanzern an.
Kreml: "Hoher Preis" an Front - Weniger Verhandlungsperspektiven
Kremlsprecher Peskow räumte ein, dass die Fortschritte, die Russland derzeit an der Front erziele, "einen hohen Preis" haben. Berichten zufolge haben die Kämpfe um Soledar und Bachmut auf beiden Seiten hohe Opfer gefordert. Die Verhandlungsperspektiven zwischen Moskau und Kiew schätzte Peskow als schlecht ein. Russland sei zwar zu Gesprächen bereit, doch so lange dies dem ukrainischen Präsidenten per Gesetz verboten sei und der Westen Kiew keine Flexibilität in der Frage erlaube, gebe es keine Chance. Russland fordert für einen Dialog unter anderem Gebietsabtretungen der Ukraine und den weitgehenden Verzicht Kiews auf eigenes Militär. Kiew lehnt Verhandlungen ab, so lange Russland ukrainisches Gebiet besetzt hält.
Russland wechselt Kommandeur für Krieg in der Ukraine erneut aus
Nach nur wenigen Monaten Amtszeit wechselte Russland erneut seinen Kommandeur im Krieg aus. Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Generalstabschef Waleri Gerassimow zum neuen Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine ernannt. Der bisherige Kommandeur Sergej Surowikin, der den Posten erst im vergangenen Oktober übernommen hatte, solle Gerassimows Stellvertreter werden, teilte das Ministerium mit. Schoigu ernannte zudem noch zwei weitere Stellvertreter. Moskau begründete die Neuaufstellung mit einer "Ausweitung des Ausmaßes der zu lösenden Aufgaben" sowie der Notwendigkeit einer engeren Kooperation der einzelnen Armeeteile.
Russische und ukrainische Menschenrechtsvertreter sind in Ankara zu Gesprächen zusammengekommen. Man hoffe, dass am Donnerstag ein gemeinsamer Fahrplan etwa zur Evakuierung Verwundeter, Kinder oder Frauen aus den Konfliktgebieten vorgestellt werden könne, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu den türkischen Ombudsmann, der ebenfalls an den Gesprächen am Mittwoch am Rande einer Menschenrechtskonferenz in der türkischen Hauptstadt teilnahm. Man wolle einen "humanitären Korridor" schaffen.
Wohl kein russischer Angriff aus Belarus
Britische Geheimdienste halten russische Angriffe vom Boden des mit Russland verbündeten Belarus auf die Ukraine für unwahrscheinlich. Bei der Verlagerung russischer Militärhubschrauber und der Stationierung von Truppen in dem Land handele es sich wohl um Training, nicht um die Vorbereitung einer Offensive, hieß es am Mittwoch im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.
Berlin: Weiter keine konkreten Anfragen für Kampfpanzer
Eine Woche vor neuen Gesprächen in Ramstein über die Militärhilfe für die Ukraine stellt die Bundesregierung vorerst keinen Kurswechsel bei der Übergabe von Kampfpanzern in Aussicht. Das erläuterte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Es lägen keine konkreten Anfragen zu einer Genehmigung von Leopard-Lieferung vor. Auch sei keine konkrete Bitte der Verbündeten bekannt, dass Deutschland selbst Kampfpanzer liefere, sagte Hebestreit.
Berlin spielt in der Debatte eine Schlüsselrolle, weil die Leopard-2-Panzer in Deutschland entwickelt wurden und nicht ohne deutsche Genehmigung an die Ukraine abgegeben werden dürfen. In Schweden, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hofft Ministerpräsident Ulf Kristersson innerhalb einiger Wochen auf eine Entscheidung über eine Lieferung von Leopard-2-Panzern aus Europa. Auch London deutete eine Initiative an, um möglicherweise Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zu liefern. Polen macht in der Frage weiter Druck: Präsident Andrzej Duda sagte im westukrainischen Lwiw, sein Land habe bereits entschieden, im Rahmen einer Koalition mit verbündeten Staaten den Ukrainern Leopard-Kampfpanzer zu überlassen.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa