Krieg in der Ukraine
Sind die nordkoreanischen Truppen für Putin nur "Kanonenfutter"?
- Aktualisiert: 30.10.2024
- 12:15 Uhr
- Joachim Vonderthann
Die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland bedeutet eine nicht gekannte Eskalation im Ukraine-Krieg. Doch wie einsatzbereit sind Kims Rekruten?
Das Wichtigste in Kürze
Die nordkoreanischen Soldaten zur Unterstützung Russlands sollen eher schwach sein.
Militärexperten sprechen im "Wall Street Journal" von "reinen Kanonenfutter-Söldnern".
Dahinter könnte aber eine gezielte Strategie von Nordkoreas Machthaber Kim stecken.
Nordkorea schickt offenbar nicht seine besten Soldaten nach Russland, um dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die bislang eingetroffenen Rekruten seien sehr jung, schmächtig, klein und stünden vermutlich erst am Anfang ihrer Ausbildung, berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Videoaufnahmen und Geheimdienstberichte. Der körperliche Zustand der Soldaten zeige die grassierende Unterernährung in dem von Diktator Kim Jong-un regierten Land, sagten Militärexperten dem Bericht nach.
Ein Stellungskrieg, wie er an der russisch-ukrainischen Front vielerorts vorherrscht, gehöre vermutlich auch nicht zur Ausbildung der nordkoreanischen Soldaten, so die Einschätzungen der Militärexperten. Vielmehr seien sie für Attentate und die Zerstörung der Infrastruktur in den Bergen des verfeindeten Südkorea trainiert. Wahrscheinlich hätten die entsandten Einheiten ihr Heimatland bislang auch noch nie verlassen.
"Reine Kanonenfutter-Söldner"
Der südkoreanische Ex-Beamte für Verteidigung, James J.B. Park, vermutet dahinter aber eine Strategie von Machthaber Kim. Dieser schicke zunächst unerfahrene und relativ entbehrliche Soldaten, um die Reaktionen in Nordkorea und Russland zu testen. "Sie werden den Weg für die Erfahreneren ebnen", sagte Park der US-Zeitung. Auch der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Yong-hyun schätzte die erste Welle an Soldaten ähnlich ein. "Es handelt sich um reine Kanonenfutter-Söldner", sagte er im Parlament in Seoul.
Welche Rolle genau die Nordkoreaner im Angriffskrieg von Russlands Machthaber Wladimir Putin gegen die Ukraine spielen sollen, ist dem "Wall Street Journal"-Bericht zufolge noch unklar. Die Beobachtung des Einsatzes von nordkoreanischer Munition unter Kriegsbedingungen könnte Kims Militär wichtige Erkenntnisse bringen. Werden seine Truppen zunächst nur in der russischen Region Kursk stationiert, dann könnten sowohl Nordkorea als auch Russland das als Verteidigungsmaßnahme darstellen. "Ein Einsatz nur in Russland würde es Pjöngjang ermöglichen, zu behaupten, es helfe, das Territorium eines Verbündeten wiederherzustellen", sagte Samuel Cranny-Evans von der Londoner Denkfabrik Royal United Services Institute der Zeitung.
Im Video: Studie - Nordkoreas Waffenlieferung an Russland in Milliarden-Höhe
Nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums beläuft sich die Zahl der nach Russland entsandten Soldaten aus Nordkorea auf etwa 10.000. "Wir gehen davon aus, dass Nordkorea insgesamt etwa 10.000 Soldaten zur Ausbildung nach Ostrussland geschickt hat, die wahrscheinlich in den nächsten Wochen die russischen Streitkräfte in der Nähe der Ukraine verstärken werden", sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh. Ein Teil dieser Soldaten sei bereits näher an die Ukraine herangerückt. Man befürchte einen Einsatz der nordkoreanischen Soldaten im russischen Gebiet Kursk nahe der Grenze zur Ukraine.
NATO: Russische Verluste bei 600.000
Sollten die Soldaten aus Nordkorea tatsächlich auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kommen, bedeute dies eine weitere Eskalation und zeige auch "die zunehmende Verzweiflung Präsident Putins", der auf dem Schlachtfeld "außerordentliche Verluste" erlitten habe, sagte Singh weiter. Der Schritt sei "ein Hinweis darauf, dass Putin möglicherweise in größeren Schwierigkeiten steckt, als den Menschen bewusst ist". Der Einsatz der Nordkoreaner im russischen Angriffskrieg hätte auch "schwerwiegende Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa und im indopazifischen Raum".
NATO-Generalsekretär Mark Rutte äußerte sich ähnlich. Er sagte, er könne bereits bestätigen, dass nordkoreanische Militäreinheiten in der Region Kursk stationiert seien. Dorthin hatten die ukrainischen Streitkräfte im Sommer eine Art Entlastungsangriff gestartet und einen Teil der Region unter ihre Kontrolle gebracht. Die Zahl der im Ukraine-Krieg getöteten und verletzten russischen Soldaten bezifferte er auf mehr als 600.000.
- Verwendete Quellen:
- "The Wall Street Jounal": "North Korean Soldiers Arrive on Russia’s Front Line. How Ready Are They to Fight?"
- Nachrichtenagentur dpa