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Rückendeckung für Polen

EU-Länder wollen schneller abschieben - doch Asylpolitik bleibt Streitpunkt

  • Veröffentlicht: 18.10.2024
  • 10:20 Uhr
  • dpa
Ein Holzboot, mit dem Flüchtlinge aus Marokko über den Atlantischen Ozean gefahren sind, liegt an der Küste der Kanarischen Inseln.
Ein Holzboot, mit dem Flüchtlinge aus Marokko über den Atlantischen Ozean gefahren sind, liegt an der Küste der Kanarischen Inseln.© Javier Bauluz/AP/dpa

Um eine gemeinsame Asylpolitik wird innerhalb der EU weiterhin gerungen - trotz der jüngsten Einigung auf eine große Reform. Der deutsche Bundeskanzler Scholz sieht etwa Asylverfahren in Drittstaaten kritisch.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU-Staaten sind sich einig: Abgelehnte Asylbewerber:innen sollen schneller abgeschoben werden.

  • Auf dem EU-Gipfel in Brüssel beschlossen die 27 Staats- und Regierungschef:innen, dass die Europäische Kommission schnellstmöglich eine Überarbeitung der aktuellen Gesetze vorlegen solle.

  • Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, entsprechende Maßnahmen würden in den Rechtsrahmen passen, so lange sie "vorübergehender Natur" sowie verhältnismäßig seien.

Die EU-Staaten wollen die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerber:innen beschleunigen. Dafür solle die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen schnellstmöglich eine Überarbeitung der aktuellen Gesetze vorlegen, beschlossen die 27 Staats- und Regierungschef:innen bei einem EU-Gipfel in Brüssel.

Rückendeckung bekam zudem Polen. Regierungschef Donald Tusk hatte angekündigt, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migrant:innen vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen.

Die EU-Staaten verständigten sich darauf, dass Ausnahmesituationen angemessene Maßnahmen erfordern würden. Man bekunde Solidarität mit Polen und den Mitgliedstaaten, die sich diesen Herausforderungen stellen würden. Von der Leyen merkte an, dass solche Maßnahmen in den Rechtsrahmen passen würden, wenn sie "vorübergehender Natur" und verhältnismäßig seien.

Scholz: "Sehr konstruktive Atmosphäre"

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, man könne nicht darüber hinwegsehen, dass an diesen Grenzen schlimme Dinge passierten und deshalb auch außerordentliche Anstrengungen nötig seien. "Und wer der polnischen Regierung abspricht, sich mit dem Problem beschäftigen zu dürfen, der handelt nicht verantwortlich", sagte der SPD-Politiker in einer Pressekonferenz nach dem Gipfel. Zugleich schränkte er ein, dass man sich in dem rechtlichen Rahmen der Europäischen Union bewegen müsse.

Im Video: EU ringt um eine schärfere Asylpolitik - Scholz fordert mehr Tempo

Scholz sprach insgesamt von einer konstruktiven Migrationsdebatte. "Ich habe an mehreren solchen Debatten auch in Europa teilgenommen", sagte er. Diese seien oft aufgeregt und lang gewesen. "Das war diesmal ganz anders. Ich habe eine doch sehr konstruktive Atmosphäre wahrgenommen."

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Kontroverse über Asylverfahren in Drittstaaten

Bei vielen Aspekten zur Eindämmung der irregulären Migration konnten sich die EU-Staaten jedoch nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen. Kontrovers diskutiert wurden etwa Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU, wie sie seit dieser Woche von Italien in Albanien durchgeführt werden. Italien ist der erste EU-Staat, der Flüchtlinge in Lagern außerhalb der EU unterbringt. Dort sollen ihre Anträge von italienischen Beamt:innen im Schnellverfahren geprüft werden: Wer Anspruch auf Asyl hat, darf weiter nach Italien; wer abgelehnt wird, muss zurück.

Scholz äußerte sich zu dem Vorstoß skeptisch. Zur Begründung sagte er, dass man logistisch nur eine kleine Zahl von Asylverfahren auslagern könnte. Im vergangenen Jahr seien mehr als 300.000 Migrant:innen irregulär nach Deutschland gekommen. Da seien "mal da 1.000, mal da 2.000" zu wenig, wenn man diese Zahl deutlich reduzieren wolle.

Kritik an deutschen Grenzkontrollen

Befeuert wird die Diskussion von nationalen Alleingängen in den vergangenen Wochen und Monaten. So äußerten zuletzt mehrere EU-Partner Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem Terroranschlag auf einem Stadtfest in Solingen an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen anzuordnen.

Die Niederlande und Ungarn würden unterdessen am liebsten aus den gemeinsamen Asyl-Regeln komplett aussteigen. Die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Ylva Johansson, verwies darauf, dass dies jedoch nicht ohne eine Änderung der grundlegenden europäischen Verträge möglich sei.

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Umsetzung von Asylreform dauert

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird. Viele bezweifeln, dass sie die aktuellen Probleme lösen kann. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis kritisierte beim EU-Gipfel, dass die Reform nicht auf das Thema Rückführungen eingehe: "Wir können nicht akzeptieren, dass wir uns nicht wirksam um diejenigen kümmern, die keinen Anspruch auf einen Schutzstatus in der Europäischen Union haben."

Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Asylreform sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen könnte. Bundeskanzler Scholz forderte in Brüssel eine beschleunigte Umsetzung. Es sei ihm wichtig, dass die Vereinbarung der 27 EU-Staaten "nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert", sagte er. "Wir werden in Deutschland die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Deutschen Bundestag zuleiten, aber es wäre gut, wenn überall in Europa das früher eingeführt werden kann."

Staaten wie Italien sollen entlastet werden

Mit der umstrittenen Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet, damit rasch festgestellt werden kann, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können. Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen dabei nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

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:newstime

Lage in der Ukraine

Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder waren die Beratungen über Migration nur ein Thema neben Fragen zur Lage in der Ukraine und in Nahost. Gast war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der um die Unterstützung seines Plans für einen Sieg gegen Russland warb.

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