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Nach Tod von 22-Jähriger

Immer mehr Tote und Festnahmen: Im Iran reißen die Proteste nicht ab

  • Veröffentlicht: 26.09.2022
  • 17:31 Uhr
  • glö
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© (c) AP

Schüsse und brennende Autos – die Menschen im Iran tragen seit Tagen ihre Wut über den Tod einer jungen Frau auf die Straße. Die Regierung greift durch, es gibt Festnahmen, Tote auf beiden Seiten und Gegendemos. Die Situation droht zu eskalieren.

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Das Wichtigste in Kürze:

• Die 22-jährige Iranerin Mahsa Amini starb in der vergangenen Woche, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen eines falsch sitzenden Kopftuchs festgenommen wurde.
• Seitdem kommt es immer wieder zu gewalttätigen Protesten im ganzen Land.
• Als Reaktion hat die Regierung den Zugang zum Internet stark eingeschränkt.

Nach dem Tod einer jungen Frau im Iran sind am Wochenende Tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Zugleich meldeten iranische Staatsmedien am Sonntag Gegendemonstrationen in der Hauptstadt Teheran und anderen Städten. An den Versammlungen hätten Tausende Menschen teilgenommen, um die andauernden Proteste von Regimekritikern zu verurteilen, hieß es.

Sowohl Sicherheitskräfte als auch Demonstrant:innen treten bei den regimekritischen Protesten Augenzeugenberichten zufolge immer aggressiver auf. Es seien vermehrt Schüsse zu hören. Wie der iranische Staatssender IRIB am Sonntag berichtete, wurden inzwischen 41 Menschen getötet. Eine offizielle Bestätigung lag nicht vor. Die Polizei nahm nach offiziellen Angaben innerhalb von zwei Tagen alleine im Norden des Landes mehr als 1.000 Menschen fest. Auch Reporter:innen, die über die Proteste berichten wollten, wurden nach Angaben des iranischen Journalistenverbandes festgesetzt.

Eine junge Iranerin berichtete der ARD über die Proteste in einer Sprachnachricht: "Es ist so gefährlich. Ich habe Angst, verhaftet zu werden, Angst getötet zu werden. Sicherheitskräfte haben uns geschlagen, uns verfolgt, sie haben Tränengas und Pfefferspray gesprüht. Ich habe gesehen, wie sie jemandem mit Schlagstöcken den Schädel eingeschlagen haben."

Berichte: Iranische Regierung soll Hisbollah-Milizen einsetzen wollen

Die Rufe der Demonstrant:innen gegen die islamische Führung werden Augenzeugen zufolge radikaler: Neben "Tod dem Diktator" skandierten sie auch "Das ist das Jahr des Blutvergießens!" und "Lieber sterben wir, als weiterhin Erniedrigung zu ertragen!". Vor allem junge Leute beschädigten laut Augenzeug:innen öffentliche Einrichtungen, setzten Autos und Mülleimer in Brand und verprügelten Polizisten. Präsident Ebrahim Raisi kündigte einmal mehr ein hartes Durchgreifen an. Unterdessen lösten unbestätigte Berichte Besorgnis aus, wonach die iranische Regierung auch Hisbollah-Milizen aus dem Libanon zur Niederschlagung der Proteste einsetzen wolle.

Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22 Jahre alten Iranerin Mahsa Amini. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus verstarb. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück.

Als Reaktion auf die Proteste hat die Regierung den Zugang zum Internet stark eingeschränkt. Insbesondere mobile Funknetze funktionieren kaum. Den Demonstranten wird es damit erschwert, sich zu organisieren.

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Amini: Iranische Behörden sprechen von "Herzversagen", Vater widerspricht

Innenminister Ahmad Wahidi bekräftigte am Samstag die Sicht der Regierung auf Amidis Tod. "Die medizinischen Untersuchungen und jene der Gerichtsmedizin zeigen, dass es weder Schläge (seitens der Polizei) noch einen Schädelbruch gegeben hat", sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Die voreiligen Schlüsse in diesem Fall und die folgenden Proteste seien auf der Basis von falschen Interpretationen entstanden. Aminis Vater sagten dagegen, dass seine Tochter keinerlei Herzprobleme gehabt habe und daher auch nicht, wie behauptet, an Herzversagen gestorben sein könne.

Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Vornehmlich in den Metropolen sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur auf dem Hinterkopf – zum Ärger erzkonservativer Politiker. Religiöse Hardliner versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen. Zur Zahl der Todesopfer bei den Protesten wollen die Behörden bis auf Weiteres keine Angaben mehr machen, vor einigen Tagen hatten sie zuletzt von 17 bis 20 Toten gesprochen. Der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights zufolge starben sogar mindestens 50 Menschen. Innenminister Wahidi räumte ein, dass einige Menschen, die in "hochgesicherte Einrichtungen" eindringen wollten, von Sicherheitsbeamten erschossen wurden. Auch unter den Sicherheitskräften gebe es Tote.

Mindestens neun Reporter:innen seit Protest-Start festgenommen

Der iranische Journalistenverband erklärte am Samstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Ilna, mindestens neun Reporter:innen seien festgenommen worden, und forderte deren Freilassung. Unter den inhaftierten Journalisten ist Nilufar Hamedi. Die Reporterin der Reformzeitung "Shargh" war die erste, die den Fall Amini publik gemacht hatte.

Auch in Deutschland kam es am Wochenende zu Kundgebungen gegen die systematische Diskriminierung von Frauen im Iran. In Hamburg demonstrierten am Samstagnachmittag auf der Sternschanze bis zu 1.000 Menschen, am Abend gab es eine größere Kundgebung in der Innenstadt mit etwa 400 Teilnehmer:innen. Vor der Botschaft des Iran in Berlin demonstrierten am Samstag rund 50 Menschen.

Verwendete Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • "Tagesschau": "Lieber sterben als festgenommen werden"
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