Wende im Ukraine-Krieg
Lange war das Wort tabu - jetzt sprechen Russen auch offen über "Niederlage"
- Veröffentlicht: 10.05.2023
- 14:59 Uhr
- Lena Glöckner
Russlands "militärische Spezialoperation" in der Ukraine läuft nicht so, wie Putin es gerne hätte. Das merken auch immer mehr Russen und sprechen öffentlich über eine drohende Niederlage.
Die Stimmung in Russlands Bevölkerung in Bezug auf den Ukraine-Krieg hat sich laut einem russischen Soziologen dramatisch verändert. Laut Greg Yudin, Sozialwissenschaftler und Philosoph an der Moscow School of Social and Economic Sciences, akzeptieren Russen zunehmend, dass der Krieg wahrscheinlich mit einer Niederlage enden wird. Das schrieb der Russe auf Twitter. Sollte seine Annahme stimmen, ist das eine drastische Wendung gegenüber den ersten Monaten des Krieges dar, als niemand das Wort "Niederlage" in den Mund nahm. Selbst diejenigen, die die Invasion für eine unsinnige Entscheidung hielten.
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Laut Yudin ist ein wichtiger Indikator hierfür die Häufigkeit, mit der die Menschen in Russland über eine mögliche Niederlage sprechen. "Ich muss gestehen, dass dies jetzt sehr oft geschieht", so der Forscher. Diese Stimmung übertrage sich auch auf den öffentlichen Bereich. Sowohl der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, als auch der Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow würden zwar ihre Spielchen spielen, aber zwischen den Zeilen eine eindeutige gemeinsame Einschätzung der Lage durchblicken lassen. Während Kadyrow die Situation als "sehr schwierig" bezeichnet, warnt Prigoschin gar vor einer drohenden Katastrophe.
Russen seien sich einig, dass Krieg "schlecht enden" wird
Nach Ansicht des Experten entwickle sich dieser Stimmungswandel aber nahezu ausschließlich bei Menschen aus gehoben Schichten. "Die Mehrheit in Russland bleibt distanziert und vermeidet es, schlechte Gedanken zu haben", so Yudin. "Diejenigen, die jedoch zu denken wagen, scheinen sich einig zu sein: Der Krieg könnte schlecht enden." Immer wieder würde er hören: "Ich weiß nicht, wie dieser Krieg mit einem Sieg enden könnte." Die Menschen würden nach und nach das Vertrauen verlieren, meint der Soziologe. Selbst im nahen Umfeld Wladimir Putins.
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