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Prozess in Russland

Schauprozess: Nawalny zu 19 Jahren Straflager "mit besonderem Regime" verurteilt

  • Veröffentlicht: 04.08.2023
  • 21:09 Uhr
  • Carolin Ritter
Der russische Oppositionsführer und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde am Freitag, den 4. August zu 19 Jahren Straflager verurteilt.
Der russische Oppositionsführer und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde am Freitag, den 4. August zu 19 Jahren Straflager verurteilt.© Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Nun ist es offiziell: Kreml-Kritiker Alexej Nawalny muss für ganze 19 Jahre ins Gefängnis. Das Urteil erging am Freitag, den 4. August in einem inszenierten Schauprozess in seinem derzeitigen Haftlager in Russland.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Kreml-Kritiker Alexej Nawalny muss für weitere 19 Jahre ins Gefangenenlager in Russland.

  • Das Urteil erging am Freitag, den 4. August in seinem Straflager in Melechowo.

  • Der Prozess gilt als politisch inszeniert und diene nur der Abschreckung potentieller Gefährder des Regimes.

Obwohl es fast zu erwarten war, trifft das Urteil gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny die Öffentlichkeit hart. Es ist eine massive Strafe, die gegen den Oppositionsführer in seinem Straflager in Melechowo verhängt wurde. Zwar kommt der Politiker lächelnd und schnellen Schrittes in den extra für den Prozess vorbereiteten Gerichtssaal, dennoch lässt das Urteil wenig Raum für Freude. 

Ganze 19 Jahre muss der schärfste Kontrahent von Präsident Wladimir Putin hinter Gitter. In einem international als politische Inszenierung kritisierten Prozess erging am Freitag das Urteil. Nawalny war wegen angeblichen Extremismus angeklagt worden.

Urteil schließt bisherige Haftstrafe mit ein

Das Strafmaß schließt das bisherige Urteil von neun Jahren Straflager mit ein, wie russische Medien schrieben. "Schlussendlich werden gegen Nawalny eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren angesetzt", sagte Richter Andrej Suworow der russischen Agentur Interfax zufolge.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch hatte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur ebenfalls erklärt, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte.

Es bleibe aber das schriftliche Urteil abzuwarten, sagte sie am Freitag. Nawalny sei zu Straflager mit einem "besonderen Regime" verurteilt worden, was noch einmal härtere Haftbedingungen bedeute als bisher.

Russische Medien berichteten übereinstimmend, dass es sich bei den 19 Jahren um eine Gesamtstrafe handele.

Im Video: Urteil: Nawalny zu 19 Jahren Haft verurteilt

Urteil: Nawalny zu 19 Jahren Straflager verurteilt

Nawalny nahm das Urteil gelassen auf. Er hatte das Strafmaß erwartet. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Haft beantragt. Nawalnys Team meinte, Putin selbst habe das Strafmaß am Ende festgelegt. In Freiheit komme der Kremlgegner erst, wenn Putin nicht mehr an der Macht sei. Sie erwarten neue Prozesse.

"Es wird eine riesige Haftstrafe werden. Das, was man als 'stalinistische Haftstrafe' bezeichnet", hatte Nawalny selbst am Donnerstag über sein Team in sozialen Netzwerken ausrichten lassen. Unter Sowjetdiktator Josef Stalin (1879-1953) waren zu kommunistischen Zeiten sehr lange und harte Strafen üblich.

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International herbe Kritik an dem Urteil

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte das Urteil scharf und forderte die Freilassung Nawalnys. Es gebe "erneut Anlass zu ernster Besorgnis über die Schikanen der Justiz und die Instrumentalisierung des Gerichtssystems für politische Zwecke in Russland", teilte er in Genf mit. 

Auch aus Brüssel kam am Freitag deutliche Kritik. Die Europäische Union verurteile den Schuldspruch scharf, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Die EU bedauere außerdem zutiefst, dass die Gerichtsverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hätten. "Herr Nawalny ist ein weiteres Beispiel für das anhaltende systematische Vorgehen der russischen Behörden und ihre Missachtung der Menschenrechte ihrer eigenen Bürger", hieß es. EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf Twitter, das neueste Urteil in einem weiteren Scheinprozess sei inakzeptabel.

Seine Unterstützer kritisieren zudem, dass der Prozess nicht vor dem Moskauer Stadtgericht, sondern direkt in Nawalnys Strafkolonie im 260 Kilometer von Moskau entfernten Melechowo abgehalten wird.

Nawalnys Team bekräftigte, dass er seinen Kampf gegen das System Putin auch im Lager nicht aufgeben werde. Sein Bruder Oleg Nawalny, der selbst schon inhaftiert gewesen war, sagte dass Alexej in guter "moralischer und physischer Verfassung" sei.

Urteil diene nur der Einschüchterung

Das neue Urteil gegen ihn diene der gesellschaftlichen Einschüchterung, schrieb Nawalny vorab. Es solle die kritischen Teile der russischen Bevölkerung davon abhalten, sich öffentlich gegen Putin und Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen. Er bat auch um Solidarität mit politischen Gefangenen. Schon in seinem Schlusswort vor zwei Wochen hatte der Oppositionspolitiker dazu aufgerufen, gegen das "gewissenlose Böse, das sich selbst 'Staatsmacht der Russischen Föderation' nennt", zu kämpfen.

Menschenrechtler weisen immer wieder auf die angeschlagene Gesundheit Nawalnys hin, der im Sommer 2020 nur knapp einen Nervengiftanschlag überlebte. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und Präsident Wladimir Putin vor, hinter dem Mordanschlag vor drei Jahren zu stecken. Der Kreml dementiert das. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny damals in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen.

Neben Nawalny sind in russischen Straflagern noch zahlreiche weitere Oppositionelle inhaftiert, die international als politische Gefangene eingestuft werden. Erst vor wenigen Tagen etwa wurde gegen Wladimir Kara-Mursa das harte Urteil von 25 Jahren Straflagerhaft bestätigt. Es ist die bisher höchste Haftstrafe gegen einen Regierungskritiker in Russland.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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