"Grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung"
Folter in Putins Machtapparat: UN-Expertin prangert Quälerei in Russland an
- Veröffentlicht: 30.10.2024
- 12:51 Uhr
- dpa
Kriegsdienstverweigerer, Journalisten, Ukrainer - in Russland werden einer UN-Beauftragten zufolge viele Menschen vom Staat brutal gequält. Eine Foltermethode heißt "Anruf bei Putin".
Eine UN-Expertin wirft Russland in einem neuen Bericht systematische Folter von Kritiker:innen im Inland und feindlichen Soldat:innen vor. Das Papier dokumentiere, "wie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als staatlich sanktionierte Instrumente zur systemischen Unterdrückung in der Russischen Föderation verwendet werden", hieß es in einem in New York vorgestellten Bericht.
Ausgearbeitet wurde er von der Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Russland, Mariana Katzarova. Sonderberichterstatter:innen werden zwar vom UN-Generalsekretär eingesetzt, arbeiten aber unabhängig von den Organen der Vereinten Nationen. Russland hatte Katzarova für ihre Recherchen keinen Zugang gewährt, die Informationen hätten sie und ihr Team aber durch Kontakte zu Menschenrechtsgruppen und anderen Quellen erhalten.
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Folter sei "kein neues Phänomen in der Russischen Föderation, aber jetzt ist es nach der vollständigen Invasion (in der Ukraine) zu einer konzertierten Strategie geworden", sagte die Bulgarin. "Ein Instrument, um den Bürgerraum zu unterdrücken, um alle Kriegskritiker oder Dissidenten zum Schweigen zu bringen, die nicht einverstanden sind mit der Politik der russischen Behörden und ihrer sogenannten besonderen militärischen Operation."
Folter mit Methode
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 habe sich Folter "als Instrument für Repressionen zu Hause und im Ausland" ausgebreitet, hieß es weiter. Die Behörden müssten selten Rechenschaft ablegen, Straflosigkeit sei zum Alltag geworden. In Russland gebe es mindestens 1.300 politische Gefangene - die Zahl könne aber auch bei 1.700 oder höher liegen. Unter ihnen seien auch 30 Journalist:innen.
Zudem sind wohl auch Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer nach Russland gebracht worden. "Sie verrotten in russischen Gefängnissen, werden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten, gefoltert, Elektroschocks ausgesetzt - bis hin zu Vergewaltigung und sexueller Gewalt", so Katzarova.
Russland dulde die Quälerei von Gefangenen nicht nur, sondern nutze diese aktiv als Methode, "um Geständnisse zu extrahieren, Dissens zu bestrafen und die Kontrolle aufrechtzuerhalten", hieß es in dem Bericht.
Schlimme Qualen mit unschuldigen Namen
Demnach bedienen sich Folterer einer Reihe grausamer Methoden, die teilweise unschuldige Namen haben, aber für die Opfer mit grausamen Qualen verbunden sind. Unter dem Namen "Empfang" werden neue Gefangene brutal geschlagen und gedemütigt. Bei der Foltermethode "Taucher" wird das Ertrinken simuliert und der Kopf des Opfers in einem Eimer oder einer Toilette lange Zeit unter Wasser gehalten.
Auch werden Häftlinge mit dem Kopf nach unten an einer Decke aufgehängt oder es wird ihre vermeintliche Hinrichtung inszeniert. Sexualisierte Gewalt wie die Vergewaltigung von Insass:innen mit Gummi-Schlagstöcken, Besenstielen oder Flaschen ist demnach ebenso weit verbreitet. Die Foltermethode mit dem Namen "Anruf bei Putin" beinhaltet Elektroschocks an sensiblen Körperstellen wie den Genitalien. Seinen Namen dürfte das Vorgehen deswegen haben, weil dabei manchmal ein modifiziertes militärisches Feldtelefon benutzt werde.
Die Rolle Putins?
Russlands Staatschef Wladimir Putin beschuldigte die Sonderberichterstatterin dabei nicht direkt. "Präsident Putin ist eine Person, die die Regierung der Russischen Föderation leitet", sagte Katzarova. "Dann gibt es ein ganzes System. Die Justiz ist mit verstrickt. Die Gesetzgeber sind mit verstrickt."
Die UN-Expertin betonte, dass in Russland nicht mehr nur heimlich und versteckt in Hinterzimmern gefoltert werde. Der Terrorangriff auf das Moskauer Veranstaltungszentrum Crocus City Hall im März markiere einen Punkt: Die Tatverdächtigen seien vor Gericht mit eindeutigen Folterspuren vorgeführt worden, ohne dass der zuständige Richter nach dem Gesundheitszustand der mutmaßlichen Täter gefragt habe.