Durchbruch nach langen Gesprächen
Mindestlohn, Lieferkette, Heizungsgesetz: Das steht im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
- Aktualisiert: 10.04.2025
- 10:11 Uhr
- Emre Bölükbasi
Es ist vollbracht: Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Was sie für die kommende Regierungsperiode planen, stellten sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vor.
Inhalt
- Einigung über Verteilung der Ministerien
- Das sind die Pläne der neuen Koalition
- Große Zuversicht vor letzter Verhandlungsrunde
- Söder erwartet guten Tag für Deutschland
- Parteigremien und Fraktionen werden informiert
- Koalitionsverhandlungen laufen seit fast vier Wochen
- Turbulenzen der Weltwirtschaft erhöhen Einigungsdruck
- Keine Alternative zu einer neuen schwarz-roten Koalition
- Regierungsbildung vor Ostern nicht mehr realistisch
Wochenlang haben Union und SPD verhandelt, jetzt ist der Durchbruch perfekt: Schwarz-Rot steht. Vertreter der CDU, CSU und SPD bestätigten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass sie ihre Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen hätten.
CDU-Chef Friedrich Merz, die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie der CSU-Vorsitzende Markus Söder haben am Mittwoch (9. April) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ihren Koalitionsvertrag vorgestellt.
Einigung über Verteilung der Ministerien
Bereits vor der Einigung auf den Koalitionsvertrag sickerten mehreren Medienberichten zufolge erste Details zu der Aufteilung der wichtigsten Ressorts unter den Parteien durch. Hier finden Sie alle weiteren Details zu den Top-Ämtern in der künftigen Regierung!
Das sind die Pläne der neuen Koalition
Wehrdienst
Union und SPD wollen ein neues und zunächst auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen. Noch in diesem Jahr sollten dazu die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden.
Vorratsdatenspeicherung
Telekommunikationsanbieter sollen künftig dazu verpflichtet werden, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern. Wegen rechtlicher Unsicherheiten war die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt worden.
Elterngeld
Künftige Eltern können auf ein höheres Elterngeld hoffen. Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Beträge "spürbar" zu erhöhen. Demnach sollen sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1.800 Euro angehoben werden. Wie hoch die Steigerung künftig ausfallen soll, blieb zunächst unklar. Geplant ist auch die Einführung eines Elterngelds für Pflegeeltern. Dazu heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrags: "Wir stärken die Rechte von Pflegeeltern und führen für sie ein Elterngeld ein."
Bafög
Geplant ist eine Bafög-Erhöhung im nächsten Jahr. Die im Bafög enthaltene Wohnkostenpauschale für Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, soll von derzeit 380 auf 440 Euro im Monat angehoben werden, wie aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hervorgeht. Die Anhebung ist demnach zum Wintersemester 2026/2027 geplant.
Heizungsgesetz
Das Heizungsgesetz soll gestrichen werden. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor. "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen", heißt es dort. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle "technologieoffener, flexibler und einfacher" werden. Die erreichbare CO₂-Vermeidung solle "zur zentralen Steuerungsgröße" werden.
Mutterschutz
Union und SPD wollen für selbstständige Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz schaffen. "Wir wollen einen Mutterschutz für Selbstständige analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte einführen", heißt es dazu im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, den die drei Parteien noch absegnen müssen. Ziel sei es, "zeitnah umlagefinanzierte und andere geeignete Finanzierungsmodelle" zu prüfen, um auch selbstständigen Müttern künftig die vollen Mutterschutzleistungen zu ermöglichen.
Förderprogramme
Union und SPD wollen in den nächsten vier Jahren deutlich sparen - auch bei Förderprogrammen und Beiträgen für internationale Organisationen. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, soll bei den Förderprogrammen im Bundeshaushalt insgesamt eine Milliarde Euro eingespart werden. Welche Programme das betreffen soll, ist allerdings nicht festgelegt.
Kartenzahlung
Auch in kleinen Geschäften soll man nach dem Willen von Union und SPD künftig ohne Bargeld zahlen können. "Schrittweise" solle überall mindestens eine digitale Zahlungsoption angeboten werden, heißt es im Koalitionsvertrag. So solle echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr erreicht werden.
Lieferkettengesetz
Zur Entlastung der Wirtschaft wollen Union und SPD das deutsche Lieferkettengesetz abschaffen. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor.
Sprachtestpflicht
Angesichts schlechter werdender Lese-, Schreib und Rechenleistungen bei Grundschülern planen Union und SPD die Einführung einer bundesweiten Pflicht für Sprach- und Entwicklungstests bei Vierjährigen.
Cannabis-Gesetz
Union und SPD wollen die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene auf den Prüfstand stellen – eine Rücknahme wurde aber nicht im Koalitionsvertrag festgeschrieben. "Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch", heißt es in dem gemeinsamen Dokument von CDU, CSU und SPD. Eine erste Evaluierung sieht das geltende Gesetz bereits vor.
Raumfahrtministerium
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird umgebaut zu einem Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Darauf haben sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verständigt, wie aus dem Papier hervorgeht.
USA
Für die Spitzenverhandler von Union und SPD bleiben die Beziehungen Deutschlands zu den USA auch unter US-Präsident Donald Trump "von überragender Bedeutung". In ihrem Koalitionsvertrag bezeichnen sie die transatlantische Partnerschaft als "eine große Erfolgsgeschichte für beide Seiten, die es auch unter den neuen Bedingungen fortzusetzen gilt". Deshalb übernehme Deutschland mehr Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit.
Mindestlohn
Union und SPD peilen für nächstes Jahr einen Mindestlohn von 15 Euro in der Stunde an. Die Entscheidung darüber bleibt jedoch bei der zuständigen Kommission von Experten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Wochenarbeitszeit
Union und SPD haben sich vorgenommen, statt des üblichen Acht-Stunden-Tags einen wöchentlichen Rahmen für die Arbeitszeit einzuführen. Dies geht aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hervor. Das Vorhaben soll aber in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgestaltet werden.
Klimawandel
Union und SPD wollen die Anpassung an die Folgen des Klimawandels weiter vorantreiben. Das geht aus dem Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor, auf den sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben. Darin heißt es: "Wir werden die Klimaanpassungsstrategie umsetzen und dazu die bestehenden Förderprogramme zielgerichtet und effizient nutzen und gegebenenfalls anpassen"
Corona-Pandemie
Das staatliche Vorgehen in der Corona-Krise soll nach Plänen von Union und SPD vom Bundestag aufgearbeitet werden. "Wir werden die Corona-Pandemie umfassend im Rahmen einer Enquete-Kommission aufarbeiten, insbesondere um daraus Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse abzuleiten", vereinbarten CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag.
Altschulden
Union und SPD wollen Kommunen mit erdrückenden Altschulden unter die Arme greifen. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, soll der Bund 250 Millionen Euro pro Jahr zu Entschuldungsmaßnahmen der Länder beisteuern. Damit soll sich der Bund zur Hälfte beteiligen, wenn Länder übermäßige Kassenkredite ihrer Kommunen übernehmen.
Rentenniveau
Union und SPD wollen das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent gesetzlich festschreiben. Diese Haltelinie beim Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente im Verhältnis zum durchschnittlichen Lohn in Deutschland soll bis 2031 gelten, wie aus dem Entwurf des schwarz-roten Koalitionsvertrags hervorgeht.
Große Zuversicht vor letzter Verhandlungsrunde
Die letzte Verhandlungsrunde hatte am Mittwochvormittag (9. April) im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin mit großer Zuversicht aller Beteiligten begonnen. "Wir sind auf den letzten Metern", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien beim Eintreffen an der CDU-Zentrale. Sie sei "guter Dinge, dass wir heute zu einem guten Ergebnis kommen werden".
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, antwortete auf die Frage, ob am Mittwoch der Sack zugemacht werde: "Mit Sicherheit." Auch führende SPD-Politiker äußerten sich optimistisch. "Heute lohnt sich das Warten", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zu den Journalisten, die sich vor der CDU-Zentrale versammelt hatten.
Söder erwartet guten Tag für Deutschland
"Ich habe das Gefühl, es könnte ein guter Tag für Deutschland und für Bayern werden", sagte CSU-Chef Söder. Ähnlich positiv äußerte sich die stellvertretende SPD-Vorsitzende Anke Rehlinger: "Ich bin zuversichtlich, dass wir die letzten Meter jetzt auch erfolgreich miteinander gehen können." Auf die Frage, wo es noch hake, fügte die saarländische Ministerpräsidentin hinzu: "Es gibt immer zum Schluss noch ein paar Fragen, die man klären muss."
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte bei der Ankunft: "Der Schlussspurt beginnt in wenigen Minuten." Jetzt sei nochmals konzentriertes Arbeiten angesagt.
Parteigremien und Fraktionen werden informiert
Vor der neuen Verhandlungsrunde informierte der CDU-Vorsitzende Merz das Präsidium seiner Partei über den Stand der Gespräche. Am Nachmittag will nach Informationen der Deutschen-Presse-Agentur der CDU-Vorstand zu einer Schaltkonferenz zusammenkommen, für den Abend sind Schalten beider Fraktionen geplant.
In der CDU wurde während der Verhandlungen immer wieder Verdruss laut. Die Junge Union drohte mit einem Nein zu einem Koalitionsvertrag, wenn darin nicht der von Merz im Wahlkampf versprochene Politikwechsel verankert ist. Der Kreisverband Potsdam-Mittelmark forderte eine Mitgliederbefragung wie bei der SPD, was aber von Parlamentsgeschäftsführer Frei abgelehnt wurde.
Koalitionsverhandlungen laufen seit fast vier Wochen
Die Koalitionsverhandlungen hatten am 13. März begonnen, drei Wochen nach der Bundestagswahl am 23. Februar. Zuvor hatten sich Union und SPD in Sondierungsgesprächen bereits auf ein elfseitiges Eckpunktepapier verständigt, das unter anderem die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen vor allem in die Infrastruktur vorsah.
Am Dienstag (8. April) hatten die Unterhändler rund 13 Stunden lang in verschiedenen Runden mit unterschiedlicher Zusammensetzung um Kompromisse gerungen. Die finale Einigung blieb aber noch aus. Die Beratungen seien in einer "guten Stimmung" und mit einer "extrem hohen Dynamik" gelaufen, berichtete Dobrindt. "Es konnte wahnsinnig viel erledigt werden."
Turbulenzen der Weltwirtschaft erhöhen Einigungsdruck
Nicht zuletzt die internationale Lage und die Zollpolitik der US-Regierung von Präsident Donald Trump setzten die Verhandler unter zusätzlichen Einigungsdruck. Experten sehen wegen der US-Zölle neue Rezessionsgefahren und Probleme für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Mit sinkenden Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und geringeren Energiepreisen will der voraussichtliche neue Kanzler Merz dagegenhalten.
Keine Alternative zu einer neuen schwarz-roten Koalition
Eine Alternative zu einem Regierungsbündnis aus Union und SPD gibt es faktisch nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hätte und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird.
Regierungsbildung vor Ostern nicht mehr realistisch
Bei einer Einigung mit der Union auf einen Koalitionsvertrag will die SPD ihre Mitglieder innerhalb von zehn Tagen digital darüber abstimmen lassen. Aufseiten der CDU entscheidet ein kleiner Parteitag über den Vertrag, bei der CSU reicht ein Vorstandsbeschluss.
Merz hatte ursprünglich das Ziel ausgegeben, bis Ostern eine Regierung zu bilden. Das ist inzwischen nicht mehr zu erreichen. Als mögliches Datum für die Kanzlerwahl steht nun der 7. Mai im Raum. Dobrindt verwies auf die Dauer des SPD-Mitgliederentscheids und ging von einem "Zeitpunkt Anfang Mai" für die Kanzlerwahl aus.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa